Otto Steiner – «Wir wollten eine Ausstellung, wie es sonst keine gibt auf der Welt»
Text & Bilder von Chiara Breitler und Cindy Schneeberger
Nach Otto Steiners ersten Erfolgen in der Szenografie gründete er eine Familie und 1999 gleich auch die Steiner Sarnen Schweiz AG. Mit ihr wurden bereits Dutzende Projekte international wie auch national in Bereichen Museum, Tourismus und Brand realisiert. Unter anderem die Ausstellung der Kläranlagen Zürich, das Gesamterlebnis des Jungfraujoch, das Besucherzentrum der Vogelwarte Sempach und ein Skigebiet in Tadschikistan. Vor eineinhalb Jahren übergab Steiner die AG seinen beiden Kindern, ist selbst aber immer noch als Angestellter dabei und arbeitet an Projekten.
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Als junger Fotograf revolutionierte Otto Steiner 1992 mit der Ausstellung der Glasi Hergiswil die Museumslandschaft in der Schweiz. Inzwischen gilt er als Pionier der Szenografie-Szene.
Otto Steiner gilt als Pionier der Szenografie-Szene. Quelle: Otto Steiner
Otto Steiner führt durch den Besucherrundgang der Glasi Hergiswil. Immer wieder hält er an, um freudig auf etwas zu zeigen und dessen Geschichte zu erzählen. Vor drei Jahrzehnten hat er diese Ausstellung kreiert – und sie steht immer noch. «Eine Ausstellung, die über so viele Jahre besteht, ist eine Seltenheit», sagt Steiner stolz.
Der heute 68-Jährige ist in Stans geboren und aufgewachsen. Nach seiner Fotografenlehre machte er sich selbständig. Der damalige Leiter der Glasi Hergiswil, Roberto Niederer, holte ihn als Fotografen in den Betrieb. Die beiden freundeten sich rasch an. Niederer ein älterer Herr, der versuchte, die Glasi zu erhalten. Steiner ein junger Mann, der ganz viel wollte. «Wir liessen einander unseren Freiraum und trampelten nicht in das Gärtlein des anderen hinein», erinnert sich Steiner schmunzelnd.
Die Rettung der Glasi Hergiswil
Jahrelang steckte die Glasi Hergiswil in einer finanziellen Krise. Als Roberto Niederer nach einem emotionalen Abschied im Jahr 1988 verstarb, kreierte Otto Steiner eine Gedächtnisausstellung. «Da merkten wir, dass die Ausstellung sehr emotional für die Leute war. Denn sie gingen weinend hinaus und kauften in grossen Mengen Glas.» Daraus entstand die Idee, mit einer Ausstellung effektiv Geld zu verdienen. Steiner entwickelte daraufhin eine Geschichtsausstellung zum 175-Jahr-Jubiläum. Die Kernidee war, die «Glasi» vor dem Ruin zu retten.
Das Projektheft «Feuer & Flamme für Glas» hat Otto Steiner all die Jahre über behalten. Foto: Chiara Breitler
Grundrisszeichnungen der Ausstellung samt Detailzeichnungen in den Räumlichkeiten. Foto: Chiara Breitler
«Wir wollten eine Geschichtsausstellung machen, wie es sonst keine gibt auf der Welt», sagt Steiner. Ohne jegliches handwerkliche Vorwissen oder Architekturkenntnis gingen er und der Sohn von Roberto Niederer das Projekt an. Zum Glück, wie Steiner heute meint, denn: «Beim Erschaffen geht es darum, dass man die Welt für sich erfindet, und diese muss anders sein als die alte Welt.»
Der Erfolg der Glasi nahm mit der Umsetzung rasant zu. Menschen aus der ganzen Schweiz strömten nach Hergiswil, um sich durch die Geschichte der Industriekultur führen zu lassen – und zahlten gerne dafür. Damit hat die Glasi die Museumslandschaft stark bedroht. «Dass man mit einem Museum Geld verdient, ist aussergewöhnlich. Es hat die Branche revolutioniert», sagt Steiner.
Das «fahrende Bild an der Wand» ist eine der Attraktionen in der Glasi Hergiswil. Foto: Chiara Breitler
Ein Pionier in der Szenografie-Szene
Nach sieben Jahren verabschiedete sich Steiner von der Glasi und ging hinaus in die Welt. Zuerst zog es ihn nach Italien, wo er in Meran die Gärten von Schloss Trauttmansdorff prägte. Danach arbeitete er in verschiedenen Glashütten in Österreich und später bei der Autofabrik Opel. «Für jemanden, der aus einem Dorf in den Bergen stammt, war das eine Wahnsinnswelt», vertraut uns Steiner an.
Durch seine Arbeit wuchs er in die Szenografie hinein. Den Begriff gab es damals noch nicht, ebenso wenig eine Ausbildung als Szenograf. Heute gilt Steiner als Pionier dieser Szene und hält an Fachtagungen Vorträge. «Ich bin bei der europäischen Diskussion an der Front, weil ich damals in Europa die Szenografie miteingeführt habe», sagt Steiner.
Bei all seinen Projekten war es ihm immer wichtig, dass er für die Besuchenden ein Erlebnis schaffen kann. Denn dies sei das Matchentscheidende, so Steiner. Wenn er eine neue Inszenierung kreiere, denke er über die damaligen Lebenswelten nach und wie er diese den Menschen von heute am besten vermitteln könne. Egal, worum es sich handelt, wichtig ist, «dass man Orte schafft, die besser sind. Orte, die es noch nicht gibt.»
Was fasziniert ihn denn so an seiner Arbeit? «Ich liebe den Prozess, in ein Thema hineinzuwachsen und nicht zu wissen, was daraus wird. Ich liebe es, irgendwohin zu reisen und dort mit einer Frage konfrontiert zu werden, die mir noch nie gestellt wurde.» Doch Otto Steiner sieht sich nicht nur als Schaffer, sondern auch als Beobachter: «Ich mag es, dazustehen und zu schauen, wie die Menschen auf das Geschaffene reagieren. Denn die haben recht.»
Die eigene Kugel blasen
Nicht ohne Grund erhielten Otto Steiner und sein Team 1994 in Barcelona den europäischen Museumspreis. Die Innnovation der Glasi Hergiswil übertraf damals alles andere. Fehlende Vitrinen oder Absperrungen sind auch heute noch selten und lassen den Respekt gegenüber dem Besucherrundgang steigen. So wird dem Publikum Vertrauen entgegengebracht, was auch ein Multiplikator für das Gelingen des Projektes ist. Entnommen wurde über all die Jahre «gerade mal eine Plastikwurst», erzählt Steiner lachend.
Der Bekanntheitsgrad der Glasi Hergiswil ist immer noch enorm gross. Ob Glas- oder Geschichtsinteressierte, Familien oder Alleinreisende – auch wir – besuchten die Glasi und tauchten ein. Wir liessen uns von Licht und Geräuschen führen, konnten anfassen, in Räume kriechen, mitfreuen und trauern. «Teilnahme ist dann, wenn du mit allen Sinnen wach bist», so Steiner. Besuchende haben auch die Möglichkeit, eine eigene Glaskugel blasen zu können, eine einmalige Erfahrung.
«Glasi Hergiswil ist natürlich das Synonym für den Ort», meint Steiner. Denn das Projekt lebt vom Ort und dem Kulturerbe. Lokale Bewohner betreuen das Projekt mit. Auch sie wollen, dass Leute das Museum mit einem guten Gefühl verlassen. «Menschen, die nach der Ausstellung Gläser kauften, schauen sie sich Jahre später an», sagt Steiner. «Dieser Anblick löst automatisch viel Liebe zu diesem Ort aus, weil sie hier schöne Momente verbracht haben.»
Chiara Breitler, *2000, ist Studentin an der der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften in Winterthur und studiert im sechsten Semester Kommunikation. Zuvor arbeitete sie bereits im Eventmanagement, ist parallel zum Studium in einer Marketing-Agentur tätig und arbeitet in Zukunft beim Zurich Film Festival.
Cindy Schneeberger, *1999, ist Studentin an der der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften in Winterthur und studiert im sechsten Semester Kommunikation. Zuvor absolvierte sie die Fachmittelschule in Zürich und ein Praktikum bei der Regionalzeitung Zürcher Unterländer. Nach dem Studium wird sie als Redaktorin bei SRF News online arbeiten.
Das Portrait entstand 2023 im Rahmen einer Kooperation von Industriekultur Spot mit dem IAM, Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Otto Steiner gilt als Pionier der Szenografie-Szene. Quelle: Otto Steiner
Otto Steiner führt durch den Besucherrundgang der Glasi Hergiswil. Immer wieder hält er an, um freudig auf etwas zu zeigen und dessen Geschichte zu erzählen. Vor drei Jahrzehnten hat er diese Ausstellung kreiert – und sie steht immer noch. «Eine Ausstellung, die über so viele Jahre besteht, ist eine Seltenheit», sagt Steiner stolz.
Der heute 68-Jährige ist in Stans geboren und aufgewachsen. Nach seiner Fotografenlehre machte er sich selbständig. Der damalige Leiter der Glasi Hergiswil, Roberto Niederer, holte ihn als Fotografen in den Betrieb. Die beiden freundeten sich rasch an. Niederer ein älterer Herr, der versuchte, die Glasi zu erhalten. Steiner ein junger Mann, der ganz viel wollte. «Wir liessen einander unseren Freiraum und trampelten nicht in das Gärtlein des anderen hinein», erinnert sich Steiner schmunzelnd.
Die Rettung der Glasi Hergiswil
Jahrelang steckte die Glasi Hergiswil in einer finanziellen Krise. Als Roberto Niederer nach einem emotionalen Abschied im Jahr 1988 verstarb, kreierte Otto Steiner eine Gedächtnisausstellung. «Da merkten wir, dass die Ausstellung sehr emotional für die Leute war. Denn sie gingen weinend hinaus und kauften in grossen Mengen Glas.» Daraus entstand die Idee, mit einer Ausstellung effektiv Geld zu verdienen. Steiner entwickelte daraufhin eine Geschichtsausstellung zum 175-Jahr-Jubiläum. Die Kernidee war, die «Glasi» vor dem Ruin zu retten.
Das Projektheft «Feuer & Flamme für Glas» hat Otto Steiner all die Jahre über behalten. Foto: Chiara Breitler
Grundrisszeichnungen der Ausstellung samt Detailzeichnungen in den Räumlichkeiten. Foto: Chiara Breitler
«Wir wollten eine Geschichtsausstellung machen, wie es sonst keine gibt auf der Welt», sagt Steiner. Ohne jegliches handwerkliche Vorwissen oder Architekturkenntnis gingen er und der Sohn von Roberto Niederer das Projekt an. Zum Glück, wie Steiner heute meint, denn: «Beim Erschaffen geht es darum, dass man die Welt für sich erfindet, und diese muss anders sein als die alte Welt.»
Der Erfolg der Glasi nahm mit der Umsetzung rasant zu. Menschen aus der ganzen Schweiz strömten nach Hergiswil, um sich durch die Geschichte der Industriekultur führen zu lassen – und zahlten gerne dafür. Damit hat die Glasi die Museumslandschaft stark bedroht. «Dass man mit einem Museum Geld verdient, ist aussergewöhnlich. Es hat die Branche revolutioniert», sagt Steiner.
Das «fahrende Bild an der Wand» ist eine der Attraktionen in der Glasi Hergiswil. Foto: Chiara Breitler
Ein Pionier in der Szenografie-Szene
Nach sieben Jahren verabschiedete sich Steiner von der Glasi und ging hinaus in die Welt. Zuerst zog es ihn nach Italien, wo er in Meran die Gärten von Schloss Trauttmansdorff prägte. Danach arbeitete er in verschiedenen Glashütten in Österreich und später bei der Autofabrik Opel. «Für jemanden, der aus einem Dorf in den Bergen stammt, war das eine Wahnsinnswelt», vertraut uns Steiner an.
Durch seine Arbeit wuchs er in die Szenografie hinein. Den Begriff gab es damals noch nicht, ebenso wenig eine Ausbildung als Szenograf. Heute gilt Steiner als Pionier dieser Szene und hält an Fachtagungen Vorträge. «Ich bin bei der europäischen Diskussion an der Front, weil ich damals in Europa die Szenografie miteingeführt habe», sagt Steiner.
«Teilnahme ist dann, wenn du mit allen Sinnen wach bist.»
Bei all seinen Projekten war es ihm immer wichtig, dass er für die Besuchenden ein Erlebnis schaffen kann. Denn dies sei das Matchentscheidende, so Steiner. Wenn er eine neue Inszenierung kreiere, denke er über die damaligen Lebenswelten nach und wie er diese den Menschen von heute am besten vermitteln könne. Egal, worum es sich handelt, wichtig ist, «dass man Orte schafft, die besser sind. Orte, die es noch nicht gibt.»
Was fasziniert ihn denn so an seiner Arbeit? «Ich liebe den Prozess, in ein Thema hineinzuwachsen und nicht zu wissen, was daraus wird. Ich liebe es, irgendwohin zu reisen und dort mit einer Frage konfrontiert zu werden, die mir noch nie gestellt wurde.» Doch Otto Steiner sieht sich nicht nur als Schaffer, sondern auch als Beobachter: «Ich mag es, dazustehen und zu schauen, wie die Menschen auf das Geschaffene reagieren. Denn die haben recht.»
Die eigene Kugel blasen
Nicht ohne Grund erhielten Otto Steiner und sein Team 1994 in Barcelona den europäischen Museumspreis. Die Innnovation der Glasi Hergiswil übertraf damals alles andere. Fehlende Vitrinen oder Absperrungen sind auch heute noch selten und lassen den Respekt gegenüber dem Besucherrundgang steigen. So wird dem Publikum Vertrauen entgegengebracht, was auch ein Multiplikator für das Gelingen des Projektes ist. Entnommen wurde über all die Jahre «gerade mal eine Plastikwurst», erzählt Steiner lachend.
Der Bekanntheitsgrad der Glasi Hergiswil ist immer noch enorm gross. Ob Glas- oder Geschichtsinteressierte, Familien oder Alleinreisende – auch wir – besuchten die Glasi und tauchten ein. Wir liessen uns von Licht und Geräuschen führen, konnten anfassen, in Räume kriechen, mitfreuen und trauern. «Teilnahme ist dann, wenn du mit allen Sinnen wach bist», so Steiner. Besuchende haben auch die Möglichkeit, eine eigene Glaskugel blasen zu können, eine einmalige Erfahrung.
«Glasi Hergiswil ist natürlich das Synonym für den Ort», meint Steiner. Denn das Projekt lebt vom Ort und dem Kulturerbe. Lokale Bewohner betreuen das Projekt mit. Auch sie wollen, dass Leute das Museum mit einem guten Gefühl verlassen. «Menschen, die nach der Ausstellung Gläser kauften, schauen sie sich Jahre später an», sagt Steiner. «Dieser Anblick löst automatisch viel Liebe zu diesem Ort aus, weil sie hier schöne Momente verbracht haben.»
Chiara Breitler, *2000, ist Studentin an der der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften in Winterthur und studiert im sechsten Semester Kommunikation. Zuvor arbeitete sie bereits im Eventmanagement, ist parallel zum Studium in einer Marketing-Agentur tätig und arbeitet in Zukunft beim Zurich Film Festival.
Cindy Schneeberger, *1999, ist Studentin an der der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften in Winterthur und studiert im sechsten Semester Kommunikation. Zuvor absolvierte sie die Fachmittelschule in Zürich und ein Praktikum bei der Regionalzeitung Zürcher Unterländer. Nach dem Studium wird sie als Redaktorin bei SRF News online arbeiten.
Das Portrait entstand 2023 im Rahmen einer Kooperation von Industriekultur Spot mit dem IAM, Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.