Robert Notz  – «Manche flippen schier aus, wenn sie die vielen Dampfmaschinen sehen»  



Text & Bilder: Fabienne Jacomet und Angelika Tanner

Robert Notz ist seit 2017 Präsident des Vereins Dampfzentrum Winterthur, der 2011 gegründet wurde. Auf dem Sulzerareal in Winterthur können Interessierte an Führungen im Dampfzentrum, das jeweils am 2. und 4. Samstag jedes Monats geöffnet ist, mehr über Dampfmaschinen erfahren. Zudem findet jedes Jahr im Spätsommer das Dampffest statt. An diesem werden jeweils ausgewählte Maschinen der Sammlung vorgeführt – mit richtigem Dampf ausserhalb der Halle. In der Sulzerhalle ist dies aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt.  

Robert Notz setzt sich dafür ein, dass das Wissen über Dampfmaschinen nicht vergessen geht. Dazu führt er Interessierte seit zehn Jahren durch die Ausstellung des Dampfzentrums Winterthur, schraubt mit seinen Kollegen an Maschinen und kämpft ständig um Sponsoren.



Einige der Maschinen im Dampfzentrum hat Robert Notz schon als junger Monteur bedient.

«Ich bin nicht unbedingt ein Dampfmaschinen-Fan», sagt Robert Notz, der an einem runden Pausentisch im Dampfzentrum Winterthur sitzt. Er nimmt einen Schluck von seinem Kaffee. «Aber ich bin Fan der Mechanik dahinter.» Er zeigt auf eine der rund 50 Dampfmaschinen in der alten Sulzerhalle. Hier hält sich der Präsident des Vereins Dampfzentrum Winterthur mindestens einmal pro Woche auf.

Wie die Einzelteilte der Maschinen verbunden sind und weshalb sie zusammen funktionieren, fasziniert den pensionierten Mechanikermeister schon seit er 1962 die Lehre als Maschinenschlosser bei der Sulzer in Winterthur angefangen hat. Dort blieb er 20 Jahre und schraubte dabei nicht nur an Maschinen, er brachte sie durch seine Arbeit als Monteur direkt zu den Kunden und zeigte ihnen, wie sie funktionieren.

Auch heute noch bringt er Mensch und Maschine zusammen. Seit 2012 erklärt Notz dem Publikum im Dampfzentrum Winterthur die Geschichte und den Aufbau der Dampfmaschinen, zwischen denen er nun sitzt. Er erzählt von Maschinen, die in Winterthur produziert und in die ganze Welt verschickt wurden. Darunter gibt es Exemplare, die zwei Weltkriege überdauert haben. Eine Sulzer-Maschine beispielsweise wurde 1889 an der Weltausstellung in Paris, für die auch der Eiffelturm gebaut wurde, präsentiert. Zudem bildeten ähnliche englische Maschinen in grösserer Ausführung den Antrieb der Titanic.


Das Publikum ist begeistert, seine Enkel weniger

So zeigt Notz den Besucherinnen und Besuchern, wie wichtig die Industriegeschichte ist. «Winterthur war mal für mehr bekannt als für Kunst und Kultur, es war eine Industriestadt.» Nicht nur der Wohlstand der Stadt, auch derjenige der gesamten Schweiz basiere auf der industriellen Revolution, die durch die Dampfmaschine ausgelöst wurde. «Wir waren alle einmal Bauern, das vergisst man manchmal.» Die Reaktionen auf die Führungen seien stets positiv. «Manche flippen schier aus, wenn sie die alte Sulzerhalle das erste Mal betreten und die vielen Dampfmaschinen sehen.» Notz macht das Erzählen Spass, er liebt es, sich mit dem Publikum auszutauschen.



Die Dampfmaschinen sind dank Robert Notz und seinen Kollegen mehr als nur ein Stück Eisen.



Sie alle wurden restauriert und wieder zum Leben erweckt. Diese Sulzer-Maschine ist ungefähr gleich alt wie der Eiffelturm.

Nur seine vier Enkel konnte er bis jetzt noch nicht für Mechanik begeistern. «Wenn sie auf das Sulzerareal kommen, dann höchstens bis zum ‘Skills Park’.» Die Freizeitanlage ist 200 Meter entfernt. Robert Notz stört das aber nicht. Es gibt andere Dinge, die ihn mit seinen Enkeln verbinden. Zum Beispiel das Interesse für Fussball. Notz spielte früher beim FC Oberwinterthur, sein Enkel heute in Schaffhausen. Notz’ Augen funkeln.

Im Hintergrund schweisst gerade einer seiner Kollegen an einem Maschinengestell. Das Ziel ist es, dass immer alle Maschinen wirklich funktionieren und vorgeführt werden können. Erst so werden sie für das Publikum erlebbar. «Es bringt ja nichts, einfach ein schönes Stück Eisen auszustellen», sagt Notz. Theoretisch wäre auch die Dampfwalze, die sich in der Mitte der Halle befindet, einsatzbereit. Jedoch wird sie nicht mehr «ausgeführt», seit sie vor ein paar Jahren während einer Testfahrt auf dem Sulzerareal an einem geparkten Auto einen Blechschaden verursachte. Der Bremsweg sei zu lang gewesen. Es sind solche Erlebnisse, die den Mitgliedern des Dampfvereins in Erinnerung bleiben.


Von Gipfelipausen und Überlebenskampf

Einige von ihnen treffen sich jeden Mittwoch im Dampfzentrum, um an den Maschinen zu arbeiten. Das ist auch der Grund, wieso Notz sich so gerne engagiert. Die Stimmung ist gut, alle machen gemeinsam Pause und essen Gipfeli.

Auch sind es diese Tage, die Notz den Biss geben, in schwierigeren Zeiten weiterzumachen. Er schraubt nicht nur an Maschinen, macht Führungen und organisiert Events. Er kümmert sich auch darum, genügend Sponsoren für das Dampfzentrum zu finden. Dies gestalte sich nicht einfach, weil man komplett auf private Spenden und Mitgliederbeiträge angewiesen sei. «Die Stadt anerkennt die Sammlung zwar als ‘schützenswert’, will uns aber nicht helfen.» Notz nimmt einen Bissen von seinem Gipfeli. «Es ist schon ziemlich mühsam, die ganze Zeit zu kämpfen.» Immerhin könne er stets auf die Vereinsmitglieder zählen, die regelmässig Beiträge einzahlen und beispielsweise beim jährlich veranstalteten Dampffest mithelfen.


Er besuchte einen Freund – und traf seine Frau

Seinen Ausgleich findet Robert Notz im eigenen Garten zuhause in Flurlingen. Er verbringt gerne Zeit in der Natur, abseits der Dampfmaschinen. Doch auch in seiner privaten Geschichte spielt die Mechanik eine Rolle. Als Monteur im Aussendienst war er eine Zeit lang im Nahen Osten unterwegs. Spontan entschied er sich damals, einen Freund in Karatschi zu besuchen. Dort lernte er dann seine Frau kennen. «Das muss Schicksal gewesen sein.»

Und Schicksal muss es auch gewesen sein, dass ein Freund ihn vor rund zehn Jahren auf das Dampfzentrum aufmerksam machte und ihm vorschlug, dem Verein beizutreten. Schliesslich stehen hier die Maschinen, die er schon als junger Monteur miterlebt hat. Es ist jede Woche ein wenig wie ein Heimkommen. Für Notz ist es immer eine Freude, seine guten Freunde – Menschen und Maschinen – wieder zu treffen. «Und ich glaube, meine Frau freut sich auch, wenn ich mal weg bin», sagt er und lacht. 


«Unser ganzer Wohlstand kommt von der industriellen Revolution. Wir waren alle einmal Bauern, das vergisst man manchmal.»





Seit 2012 erklärt Robert Notz, Präsident des Vereins Dampfzentrum Winterthur, dem Publikum die Industriegeschichte.


Angelika Tanner studiert Kommunikation mit der Vertiefung Journalismus an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Nebenbei arbeitet sie als freie Mitarbeiterin für die Wochenzeitung «Glarner Woche». Jeden Montag überquert sie das Sulzerareal in Winterthur und besucht den Tanzunterricht im Gebäude gegenüber des Dampfzentrums.

Fabienne Jacomet studiert Kommunikation an der ZHAW. Vor dem Studium machte sie eine Ausbildung zur Augenoptikerin und lebte sechs Monate auf Hawaii. Aufgewachsen ist sie in Winterthur, umgeben von Industriekultur. Ihre Mutter arbeitet bei Rieter, ihre Grosseltern haben sich bei der Arbeit in der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) kennengelernt.


Das Portrait entstand 2022 im Rahmen einer Kooperation von Industriekultur Spot mit dem IAM, Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.