Urs Waser  – «Hier in der Region schaut man zueinander» 




Text & Bilder: Christina Pirskanen und Linus Walpen

Die «Buiräbähnli» sind wahrlich ein Markenzeichen des Kanton Nidwaldens. Wie der Name schon vermuten lässt, sind es vor allem Bäuerinnen und Bauern, die mit den Seilbahnen Material, Proviant oder gar Kühe und Ziegen auf die Alp transportieren. Die «Buiräbähnli» kämpfen jedoch mit finanziellen Hürden: Viele der Seilbahnen sind schon in die Jahre gekommen und müssen renoviert werden, um den Vorschriften zu entsprechen. Um diese Bahnen finanziell zu unterstützen, wurde 2016 der Verband «Freunde der Kleinseilbahnen» gegründet, bei dem auch Urs Waser Mitglied ist.

Seit 21 Jahren arbeitet Urs Waser schon bei den Bannalp-Bahnen im Kanton Nidwalden – inzwischen leitet er diese sogar. Er engagiert sich stark für den Erhalt der vielen Seilbahnen im Bergkanton, die eine lange Tradition haben.



Urs Waser, Geschäftsführer des Seilbahnbetriebs Bannalp-Bahnen, wuchs mit den umliegenden Seilbahnen im Bergdorf Oberrickenbach auf und lebt auch heute noch mit seiner Familie dort – wenige hundert Meter von seinem Arbeitsort entfernt.

Obwohl es bereits zehn Uhr morgens ist, geht die Sonne in Oberrickenbach bei Wolfenschiessen, in einem kleinen Seitental im Kanton Nidwalden, erst langsam über der Bergkulisse auf. Es stehen einige Autos auf dem Parkplatz, das Postauto braust die kurvige Bergstrasse hinauf. Urs Waser (48) sitzt derweil in seinem Büro, einem Seitenzimmer der Talstation der Bannalp-Bahnen, und erzählt: «Hier habe ich als Chef eine Freiheit, die ich bei anderen Seilbahnen nicht hätte.»

Besucher merken schnell, dass man sie hier schätzt. Die Begrüssung ist herzlich, die Stimmung familiär. Waser pflichtet bei: «Uns ist es wichtig, dass sich unsere Gäste wohl fühlen.» Denn nur zufriedene Gäste seien Gäste, die wieder kämen. Viele von ihnen kommen aus der direkten Umgebung. Die Bannalp ist eine Art Geheimtipp unter Einheimischen, quasi im Schatten der bekannteren Touristendestination Engelberg. Urs Waser kennt viele persönlich: Er arbeitet in dem Bergdorf, in dem er auch aufgewachsen ist und heute noch wohnt.



Die Bergstation «Chrüzhütte», die mit der blauen Bahn der Bannalp-Bahnen zu erreichen ist. Im Dachgeschoss der Station kann man den Antrieb der Seilbahn bestaunen.




Damit die Seilbahnen einwandfrei funktionieren und diese die zahlreichen Vorschriften erfüllen, müssen sie regelmässig revidiert werden. Die Revision führt Urs Waser mit seinem Team, soweit möglich, selbst durch.

Gelernt hat Waser Elektromonteur, danach arbeitete er im Holz- und später im Maschinenbau. Hinterher zog es ihn jedoch zu den Seilbahnen; vor 21 Jahren stiess er zu den Bannalp-Bahnen. Heute leitet er den Betrieb der zwei Seilbahnen und ist Vorgesetzter von vier Mitarbeitern.


Leidenschaft für kleinere Seilbahnbetriebe

Während der Fahrt zur Bergstation merkt man Waser seine Faszination für die technischen Details seiner Seilbahnen an. Es beeindruckt ihn, wie es auf jede noch so kleine Schraube ankommt: «Stimmt ein Detail nicht, funktioniert es plötzlich nicht mehr.» Er kommt ins Schwärmen: «Die hochmoderne Technik und die riesigen Maschinen – das ist der einzige Grund, warum es mich jemals zu einem grösseren Seilbahnbetrieb hinziehen würde.» Die Technik ist es nämlich, welche die grösseren Seilbahnbetriebe mit den Kleinen vernetzt: «Hier in der Region aber schaut man zueinander. Man kann sich immer gegenseitig anrufen, wenn man Hilfe braucht.»

Bei einer grossen Seilbahn zu arbeiten, käme für Waser, trotz Technik und Vernetzung, nicht in Frage – dort habe es ihm zu viele Leute. «Ich sehe uns schon als Gästebetreuer. Bei anderen Bahnen werden die Passagiere manchmal einfach verfrachtet, für ein Gespräch hat da niemand Zeit.» Dank dem direkten Kontakt erlebe er oft auch lustige Situationen, erzählt Waser. Er schmunzelt und erinnert sich: Da hätten etwa einmal zwei Touristinnen verzweifelt aus der Bergstation angerufen und gefragt, ob sie mit der linken Kabine an den gleichen Ort kämen wie mit der rechten, mit der sie zuvor hinaufgefahren waren.

In der Bergstation angekommen, zeigt Waser, welche Technik nötig ist, um eine Seilbahn zu betreiben. Im Dachgeschoss der Station hängen etwa Gewichte und Gegengewichte, Drahtseile, grosse und kleine Zahnräder. An der Wand fixiert ist ein Steuerungssystem – eine metallene Box mit unzähligen Knöpfen und Schiebereglern, einige kleine Lämpchen leuchten grün. Der Fachmann kennt sich bestens aus, kann jedes Detail erklären. Er ist offensichtlich in seinem Element, keine Frage bleibt unbeantwortet.

Als sich Waser dazu entschliesst, wieder hinunterzufahren, steigt er in die Kabine ein und nimmt den dort angebrachten Hörer zur Hand. «Holsch eus wieder oben abä?», fragt er den Bahnwärter unten in der Talstation. Ein Ruckeln, und die Kabine setzt sich in Bewegung. So einfach geht das hier.


Einsatz für das Kulturgut «Buiräbähnli»

Seilbahnen haben im Kanton Nidwalden Tradition und dementsprechend einen hohen Stellenwert. Hier gibt es die höchste Dichte an Seilbahnen – schweizweit. Das sieht man auf den ersten Blick, wenn man mit dem Zug oder dem Auto durch den Kanton fährt. Auf jeden zweiten Hügel, und sei er noch so klein, fährt eine Seilbahn hinauf.


«Für jemanden, der nicht von hier stammt, ist eine solche Fahrt in einer offenen Kabine immer ein Erlebnis.»



Wenn Waser nicht selbst in seiner Freizeit auf einem solchen «Buiräbähnli» (Bauernbähnchen) unterwegs ist, gibt er seinen Gästen manchmal auch Geheimtipps: «Für jemanden, der nicht von hier stammt, ist eine solche Fahrt in einer offenen Kabine immer ein Erlebnis.» Er selbst wuchs mit den kleinen Materialbahnen auf – als Kind sei er oft in den offenen Kabinen mit auf die Alp gefahren.

Die Vielzahl an Seilbahnen im Kanton Nidwalden ist jedoch gefährdet: Waren es früher noch 40 Seilbahnen, so gibt es heute noch deren 25. Vor allem die strengeren Vorschriften der Behörden und die damit verbundenen Investitionen haben dazu geführt, dass viele Betreiber ihre Bahnen aufgegeben haben. Im Kanton Nidwalden gibt es deshalb seit einigen Jahren den Verein «Freunde der Kleinseilbahnen». Dieser unterstützt die Betreiber von Kleinseilbahnen bei grösseren Investitionen und setzt sich für den Erhalt der kleineren Bahnen ein, die vor allem für die Landwirtschaft eine grosse Bedeutung haben.



Ein kurzer Anruf in die Talstation genügt, um die blaue Bahn in Bewegung zu setzen. Das Schaukeln der Kabine und der steile Abgrund, dem man aus dem Fenster entgegenblickt, lassen den langjährigen Seilbahnexperten kalt.

Waser selbst schreckt vor Investitionen nicht zurück. Vor ein paar Jahren wurde die kleinere der beiden Seilbahnen mit Baujahr 1967 – wegen der Lackierung der Kabinen liebevoll «rotes Bähnli» genannt – umfassend renoviert und mit neuer Technik ausgestattet. Statt Knöpfen und Schaltern steht jetzt ein grosser Bildschirm in der Station. «Touchscreen», sagt Waser und lächelt. Das grössere «blaue Bähnli» aus dem Jahr 1971 werde bei der nächsten Revision ebenfalls so aufgerüstet: «Wir sind stolz auf unsere Bähnli», sagt Waser. Dabei kneift er seine Augen zu – die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel und scheint ihm ins Gesicht.


Christina Pirskanen, *1996, studiert Kommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Obwohl sie im Kanton Zug geboren und aufgewachsen ist, lautet ihr offizieller Heimatort Dallenwil in Nidwalden. Schon seit klein auf verbringt sie viel Zeit in der Seilbahnregion und durfte schon oft in den Genuss der vielen Berg-Aktivitäten kommen.

Linus Walpen, *1998, studiert Kommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und kam als Jugendlicher im Berner Gaskessel zum ersten Mal mit Industriekultur in Berührung. Seilbahnen mag er nicht, obwohl er häufig in den Bergen weilt. Je höher die Masten der Bahn vom Tal aus aussehen, desto grösser ist seine Abneigung, einzusteigen.


Das Portrait entstand 2022 im Rahmen einer Kooperation von Industriekultur Spot mit dem IAM, Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der ZHAW, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.